"Menschennah, flexibel und geduldeinfordernd" so beschreibt Regina Babovic-Born ihre Tätigkeit im Pädagogischen Dienst der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bremen. Sie muss es wissen, denn die passionierte Radfahrerin und Naturliebhaberin arbeitet in diesem Bereich seit 10 Jahren. Wir treffen uns mit Frau Babovic-Born in der JVA in Oslebshausen bei herrlichem Sommerwetter. Die Atmosphäre unter den Kolleg:innen ist sehr freundlich und zugewandt und lässt damit Stacheldraht und vergitterte Fenster etwas in den Hintergrund treten.
Für die etwa 700 (männlichen) Insassen der JVA Bremen werden 50 bis 60 Schulplätze angeboten. Diese werden primär, aber nicht nur an schulpflichtige Insassen vergeben. Das 9-köpfige Kollegium des pädagogischen Dienstes bietet neben dem Unterricht in Hauptschulklassen, auch Alphabetisierungs-, Integrations- und EDV-Kurse sowie schulische Förderung für bestimmte Personengruppen an. Einige Schüler werden auch auf den Realschulabschluss vorbereitet.
"Wenn ich morgens mit dem Rad ins Büro gefahren bin, ist meine erste Aufgabe zu schauen, ob alle aus dem Kollegium wie geplant anwesend sind oder ob gegebenenfalls der Stundenplan angepasst werden muss". Neben ihren administrativen Tätigkeiten unterrichtet Frau Babovic-Born in mehreren Klassen hauptsächlich das Fach "Deutsch". Die Unterrichtsvorbereitung und der Unterricht selbst nehmen viel Raum ein. Darüber hinaus ist der Arbeitstag gefüllt mit der Bearbeitung von Insassenanträgen, Besprechungen mit den Kolleg:innen, Konferenzen, Absprachen mit dem Justizvollzugsdienst, den Psycholog:innen sowie den Sozial:pädagoginnen.
Die Schüler [Anmerkung der Redaktion: derzeit werden nur männliche Insassen unterrichtet] bringen sehr unterschiedliche Lernniveaus, Erfahrungen, Kenntnisstände der deutschen Sprache und eine divergierende Motivation mit. Die Fluktuation ist hoch, "so dass die größte Herausforderung darin besteht, alle gerecht und passend zu beschulen, immer flexibel auf neue Anforderungen einzugehen und gegebenenfalls im Einzelfall auch nach neuen Wegen zu suchen, um das Wissen erfolgreich vermitteln zu können." Um dieser Herausforderung gut begegnen zu können, sollte man "ein Menschenfreund sein, flexibel, spontan und teamfähig" erklärt Frau Babovic-Born schmunzelnd, um dann auf die Frage, was sie stolz mache, anzufügen: "Mich macht stolz, dass ich die meiste Zeit richtig gerne hier arbeite."
"Die Nähe zu den Menschen" ist es, die Frau Babovic-Born besonders hervorhebt. "Die Möglichkeit zu haben, Begeisterung zu erzeugen, wenn Dinge angenommen werden, wenn jemand fleißig lernt und es schafft, einen guten Abschluss zu machen." Auch wenn diese Erfolgserlebnisse lange nicht alle Insassen erreichen. Häufig sind es Menschen, die sehr schwierige Vorgeschichten haben und denen das Lernen nicht unbedingt leichtfällt. Aber es gibt immer wieder Erfolgsgeschichten. "Wir arbeiten für den Moment – dann muss etwas hängenbleiben."
Positiv sieht Frau Babovic-Born auch die Arbeitsbedingungen in der JVA. Die Möglichkeit, wenn es nötig ist, Gleitzeit in Anspruch nehmen zu können und die Arbeitszeit auch zu stempeln, sei den Kolleg:innen an den Regelschulen beispielsweise nicht gegeben. Das findet sie insbesondere auch deshalb für sich wichtig, da der Beruf sie auch häufig in ihrer Freizeit beschäftigt. Und das meint sie gar nicht unbedingt im Sinne von Belastung, sondern dass sie im Kopf immer auf der Suche nach neuen Ideen und Wegen sei, Dinge zu vermitteln.
Während des Interviews wird immer wieder deutlich, welchen großen Anteil die Kommunikation mit den Schülern und dem Kollegium einnimmt. Insofern verwundert es nicht, dass Frau Babovic-Born auf die Frage nach den wichtigsten Gegenständen für ihre Tätigkeit ein Nachrichtengerät für die interne Kommunikation und einen Schlüssel ("oberstes Heiligtum") nennt.
"Hoffentlich ist er noch da" kommt die spontane und lachende Reaktion. Schön wäre es, wenn es für die JVA noch mehr Lehrer:innen-Stellen geben könnte und die Digitalisierung wird sicherlich auch weiter Einzug halten. "Obwohl die Zeit hier anders tickt. Langsamer. Man hat manchmal das Gefühl, dass die Zeit stehen bleibt."
Frau Babovic-Born wird in 10 Jahren definitiv nicht mehr in der JVA sein. Sie genießt in einigen Monaten ihren Ruhestand. Bei aller Begeisterung für ihren Beruf freue sie sich dann auch auf eine Zeit, in der sie nicht mehr unter Straffälligen sei. "10 Jahre sind genug. Hinter den Schülern verbergen sich häufig schwierige Schicksale; es sind nicht unbedingt Menschen, die mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurden." Und das lässt eine Menschenfreundin nicht ganz unberührt. Insofern freut sie sich auf die Freiheit in ihrem Garten und an der Weser, auf Zeit mit ihren Enkelkindern und mehr Zeit für ihr Hobby Lithographie (Flachdruckverfahren).
Herzlichen Dank für diese interessanten Einblicke Frau Babovic-Born!
Beim Verlassen des Gebäudes grüßt einer der Insassen des offenen Vollzugs Frau Babovic-Born und berichtet ihr freudestrahlend, dass er seinen Abschluss bestanden hätte. Außerdem fragt er, ob sie stolz auf ihn wäre. Stolz dürfen wohl alle sein: er, der es geschafft hat, den erhofften Abschluss erfolgreich zu bestehen und Frau Babovic-Born und ihr Team, die es geschafft haben, ihren Schüler unter nicht ganz einfachen Bedingungen zu motivieren und zu diesem Erfolg zu führen.
Fotos: Michael Schnelle, SKB Bremen