"Einen Marienkäfer haben wir als Bild für uns ausgesucht, weil wir ja hier Punkte verteilen."
Dieser Humor zieht sich durch das gesamte Gespräch mit Sylvia Szymanski und Frank Lehmkuhl, zwei Referatsleitungen im Ordnungsamt mit den Schwerpunkten verwarnungs- und bußgeldfähige Ordnungswidrigkeiten, die sichtbar Spaß in ihren Teams und an der Arbeit haben.

In Sylvia Szymanskis beruflichem Weg schließt sich ein Kreis: Nach der Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten in Niedersachsen zog es sie zuerst als Sachbearbeiterin in die Bußgeldstelle des Ordnungsamtes. In der nächsten Station haben sich die beiden jetzigen Referatsleitungen bereits in der Verkehrsüberwachung kennengelernt. Nach ihrem Aufstiegslehrgang und einem Einblick ins Standesamt war ihre jetzige Position als Referatsleitung ausgeschrieben, sie dachte direkt "das war damals mein Steckenpferd, ich komme wieder zurück".

Frank Lehmkuhl hat als Kind schon Haltestellen auf Kassette gesprochen und wieder abgespielt, während er mit einem Kissen als Lenkrad in der Küche saß. Überraschenderweise führte ihn sein beruflicher Weg nicht zur BSAG, sondern nach dem BWL-Studium in die Verkehrsüberwachung und anschließend durch ausgeprägte Überzeugungsfähigkeiten von Sylvia Szymanski als Referatsleitung in den Bereich bußgeldfähige Ordnungswidrigkeiten.

Sylvia Szymanski und Frank Lehmkuhl im Interview
Foto: Michael Schnelle, Fotoarchiv SKB-Bremen

"Der pure Optimismus und Organisationsgeschick" seien die beiden Grundpfeiler ihrer Arbeit. Dazu kommt, dass sie sich gegenseitig gut unterstützen und dabei viel Stress abfedern können. Eine große Herausforderung sei, dass es ein "Massengeschäft" ist, in dem schnell und viel abgearbeitet werden muss:

Der Themenbereich verwarnungsfähige Ordnungswidrigkeiten (5 bis 55 Euro) umfasst zum Beispiel Geschwindigkeitsverstöße, alle Halt- und Parkverstöße aus dem Verwarnungsgeldbereich, Bagatellunfälle und große Unfälle (bspw. das Missachten der Vorfahrt).

Im Referat von Frank Lehmkuhl werden aktuell bußgeldfähige Ordnungswidrigkeiten (ab 60 Euro) bearbeitet. Das sind beispielsweise große Drogen- und Alkoholvorgänge, Abstandsmessungen oder hohe Geschwindigkeitsüberschreitungen mit Fahrverbot. Aber auch allgemeine Ordnungswidrigkeiten wie Verstöße gegen die Corona-Verordnungen oder Verstöße gegen das Waffengesetz fallen in diesen Bereich.

Vor Ort werden die Anzeigen vom Ordnungsdienst, der Verkehrsüberwachung oder der Polizei aufgenommen und an das Ordnungsamt zur Weiterbearbeitung übermittelt. Dabei gebe es auch saisonale Unterschiede: Während des Freimarkts oder des Marathons in Bremen häufen sich Halt- und Parkverstöße. Neben dem Tagesgeschäft bringen die beiden unter anderem Gesetzesänderungen in das Referat ein und arbeiten in Projekten.

Ein aktuelles Projekt ist zum Beispiel die "Einheitssachbearbeitung": Jede:r Beschäftigte soll alles bearbeiten können. Das bedeutet, die aktuellen Teams werden neu zusammengestellt (pro neuem Team ein:e Expert:in aus jedem Fachteam) und bekommen Teamleitungen. So gibt es Multiplikator:innen und alle können sich gegenseitig unterstützen. Zusätzlich entwickeln die beiden Referatsleitungen Schulungsunterlagen, damit alle in den verschiedenen Fachgebieten geschult werden. Das bringt viele Vorteile mit sich: Die Fallauslastung kann vereinheitlicht werden, der Job wird viel abwechslungsreicher und spannender für die Kolleg:innen, sodass hoffentlich auch die Zufriedenheit und Motivation aller weiter steigt.

"Alles – die ganze Herausforderung: Die Zusammenarbeit hier auf Leitungsebene und mit den Mitarbeiter:innen, die Vorgänge, die Rechtsanwendungen, es ist hier so vielfältig, wir haben immer wieder so viele spannende Fälle", antwortet Sylvia Szymanski strahlend. "Das sehe ich genauso, und weil kein Fall gleich ist, zumindest ja bei dir im Bereich", ergänzt Frank Lehmkuhl. Lachend fügt Sylvia Szymanski hinzu: "Nicht immer, eher die Ausreden sind immer anders, auch wenn sich manche wiederholen."

Woher weiß denn eigentlich das Ordnungsamt, wer zum Beispiel bei Geschwindigkeitsüberschreitungen am Steuer saß? Auch Detektivarbeit gehört zum Job: "Wir schauen mal auf Firmenwebsites, wenn es ein Firmenfahrzeug ist, ob sich dort Einzelne präsentieren oder zum Beispiel bei Facebook. Wenn jemand bereitwillig seine Daten zur Verfügung stellt, warum sollte man dann nicht mal schauen", offenbart Sylvia Szymanski schmunzelnd. "Die Kolleg:innen berichten uns dann, wenn sie noch Recherchearbeit gemacht und jemanden gefunden haben, dem wir einen Bescheid schicken können – das ist dann ein kleines Erfolgserlebnis", gibt Frank Lehmkuhl zu.

Besonders stolz seien die beiden auf ihre Mitarbeiter:innen, die sich so gut unterstützen, zu Corona-Zeiten bereit waren, auch referatsübergreifend mitzuarbeiten und sich immer gegenseitig helfen. Das tolle Teamgefühl möchten die beiden stärken. Frank Lehmkuhl betont besonders, dass er es super finde, "dass man Entwicklungschancen hat, auch innerhalb der Behörden wechseln kann." Dazu komme, dass man "auch selbst mitgestalten kann, dass wir mitgestalten dürfen mit der Umstrukturierung", ergänzt Sylvia Szymanski. Diese Chancen und das Signal für Entwicklungsmöglichkeiten möchten die beiden auch an ihre Mitarbeitenden weitergeben, indem sie einen Teil der zukünftigen Teamleitungen mit Sachbearbeiter:innen aus eigenen Reihen besetzen. "Es ist schön, wenn man sich mit der Entwicklung der eigenen Mitarbeitenden beschäftigen kann und wie man sie fördern kann", fasst Frank Lehmkuhl zusammen.

Sylvia Szymanski und Frank Lehmkuhl
Foto: Michael Schnelle, Fotoarchiv SKB-Bremen

"Die Digitalisierung geht immer weiter, wir wissen nicht, was in ein paar Jahren ist, ob wir dann mit einer Druckerstraße arbeiten und nicht alles vor Ort ausdrucken und unterschreiben müssen", überlegt Sylvia Szymanski. Digitalisierungsprojekte laufen auch jetzt schon, zum Beispiel die "Onlineanhörung". Das heißt, dass Bürger:innen, wenn sie eine Anhörung oder eine Verwarnung bekommen, sich online anmelden und die Verwarnung inklusive der Beweisbilder online sehen können. Anschließend sollen sie sich online zurückmelden können. Aktuell bekommen sie noch einen Brief, der händisch ausgefüllt und zurückgesandt werden muss.

"Und wer weiß, welche Entwicklungsmöglichkeiten es im Straßenverkehr noch gibt, vielleicht wird ein Auto bei Geschwindigkeitsüberschreitungen zukünftig direkt selbst eine Meldung abgeben", träumt Frank Lehmkuhl trotz der Vermutung von Sylvia Szymanski, dass dann jede:r sein Auto manipulieren würde und das wiederum zusätzlicher Verwaltungsaufwand wäre. "Aber erstmal die Onlineanhörung und die Umstrukturierung, Schritt für Schritt und nicht alles auf einmal", kürzt Sylvia Szymanski realistisch ab.

Auf die Frage nach einer skurrilen Anekdote zum Schluss berichten die beiden, dass sie viel aus Berichten erfahren und eher die Kolleg:innen bspw. von der Polizei vor Ort die Fälle miterleben. Einige Erlebnisse aus seiner Zeit bei der Verkehrsüberwachung wird Frank Lehmkuhl aber wohl nie vergessen: Wie oft Personen im Auto schlafend versehentlich "mit abgeschleppt" wurden und verwirrt auf dem Verwahrplatz aufgewacht sind. Oder auch, wie die Regelung zu nicht zugelassenen Fahrzeugen herauskam und große Boote oder ein Karussell abgeschleppt werden mussten.

Vielen Dank, Sylvia Szymanski und Frank Lehmkuhl für das Interview und die vielfältigen Einblicke in ihre Arbeit!