Annika Kryger und Arsen Orcjan verfolgen mit Ihrem Team im Recruiting ambitionierte Ziele. Denn sie sind dafür zuständig, die richtigen Menschen für den Polizeidienst zu begeistern und zur Bewerbung für das duale Polizeistudium an der Hochschule für öffentliche Verwaltung (HfÖV) zu überzeugen. Die Zielzahl: 225 Menschen sollen jährlich ins Bremer Polizeistudium starten und für mehr Sicherheit im Land Bremen sorgen.
„Ich wollte schon immer zur Polizei und Streifenwagen fahren“, erzählt Annika Kryger mit einem Lachen auf den Lippen. Nach 14 Jahren „auf der Straße“ hat sie 2023 den Einsatzwagen gegen das Büro getauscht. Als stellvertretende Referatsleiterin in der Personalentwicklung arbeitet sie mit Arsen Orcjan zusammen, der nach seinem Studium im Jahr 2014 zunächst im operativen Einsatz zwischen Leitstelle, Bereitschaftspolizei und Streifendienst eingespannt war. „Seit 2023 kümmere ich mich mit Annika und zwei weiteren Kolleginnen darum, den bremischen Polizeinachwuchs an Land zu holen.“ Und das mit großer Freude, wie beide im Interview berichten. Diese Aufgabe sei zwar arbeitsreich, ließe aber viel Raum für Kreativität. „Wir nutzen alle Hebel, um die Polizei als Arbeitgeberin attraktiv zu präsentieren. Wir arbeiten täglich daran, eine gute Bindung zu Interessierten aufzubauen – damit wir als potenzielle Arbeitgeberin nicht in Vergessenheit geraten“, erklärt die Leiterin der Einstellungsstelle Kryger.
Schon im Recruiting-Prozess setzt die Bindungsarbeit an, erklärt Orcjan: „Wir sind sehr aktiv in Social Media, berichten dort hautnah von Aktionen wie den Welcome Days der neuen Polizeianwärter:innen – und bieten Interessierten an, uns ihre Kontaktdaten mitzuteilen, wenn sie mehr Informationen zum Arbeiten bei der Polizei Bremen haben wollen.“ Und dieses Angebot löst Orcjan mit seinen beiden Recruiting-Kolleginnen ein – denn zu allen, die ihre Daten hinterlassen, nehmen sie persönlichen Kontakt auf. „Das schafft unfassbare Nähe und macht „die Polizei“ erlebbar“, beschreibt der Polizeibeamte das Angebot. Das Feedback sei durchweg positiv, denn dass die Bremer Polizei sich für alle Fragen Zeit nimmt, komme sehr gut an.
Wie auch andere Dienststellen steht die Polizei Bremen vor der Herausforderung, dass geburtenstarke Jahrgänge sich allmählich in die Pension verabschieden. Gleichzeitig haben Schulabgänger:innen immer vielfältigere Berufsoptionen. „Den Polizeiberuf attraktiv zu machen und bestehende Hürden und Vorurteile über den Polizeidienst abzubauen – das ist unser täglicher Arbeitsauftrag“, erklärt Annika Kryger. Gemeint sind damit vor allem Barrieren im Einstellungsprozess. Neben einer Hochschulzugangsberechtigung gebe es wenige Formalvoraussetzungen für eine erfolgreiche Bewerbung – umso wichtiger sei eine intensive Vorbereitung auf das Auswahlverfahren. Dafür bietet das Team der Einstellungsberater:innen verschiedene kostenfreie Online-Veranstaltungen zur Vorbereitung an. Was wird im Sporttest abverlangt? Wie läuft das Interview ab? Was muss ich für die schriftliche Prüfung wissen? Keine Frage soll unbeantwortet bleiben.
Orcjan höre auf Informationsveranstaltungen regelmäßig die Frage, ob jemand als Frau, Migrant:in oder mit durchwachsenen Schulnoten überhaupt eine Chance habe. „Diese Frage kann ich ganz klar mit Ja beantworten. Wer mindestens ein Fachabitur hat, wird zum Einstellungstest eingeladen. Hier entscheidet einzig und allein die finale Punktzahl – im Sinne der Bestenauslese – über die Zu- oder Absage.“ Die gibt es übrigens schon direkt im Anschluss an den Test, der an zwei aufeinanderfolgenden Tagen stattfindet.
Behörde, Stadtverwaltung, öffentlicher Dienst – das sei, so Orcjan, insbesondere für die Gen Z und Alpha derzeit einfach fernab des Alltags. „Was bewegt meine Zielgruppe? Welche Interessen hat die Generation? Wir müssen den Nachwuchs ernst nehmen, als Behörde attraktiv und nahbar sein – immer am Zahn der Zeit und mit Neuem experimentieren“, ordnet Arsen Orcjan die Zukunft in der Personalgewinnung ein.
Ein solches Experiment war zum Beispiel das Wildcard-Angebot für den Sporttest. Einmal jährlich lädt die Polizei Bremen bis zu 130 Menschen ein, den Sporttest ohne Prüfungsdruck zu durchlaufen. Wer hier besteht, nimmt eine Bescheinigung mit nach Hause, die bei einem späteren Einstellungsverfahren angerechnet wird. „Das nimmt schon vor der eigentlichen Bewerbung den Druck“, ordnet Kryger den positiven Anklang des Wildcard-Sporttest ein. Beim letzten Mal haben sich nach der Veranstaltung 55 von 92 Teilnehmenden für das Polizeistudium beworben.
„Genau solche Angebote reduzieren die Bewerbungshürden“, bekräftigt Arsen Orcjan. Deshalb war das nächste Experiment im Oktober 2024 ein Wildcard-Angebot für die schriftliche Prüfung. Prozesse immer weiter zu vereinfachen werde die Polizei jetzt, in einem und in zehn Jahren gleichermaßen umtreiben. „Wir wollen die besten, schnellsten und effizientesten Wege schaffen, um motivierten Nachwuchs zu finden“, stellt Annika Kryger fest.
Schon ganz junge Bremer:innen anzusprechen sei dabei auch sehr hilfreich: Auf Jobmessen und Schulveranstaltungen baut Arsen Orcjan aktiv Vorurteile ab und gibt Einblicke in den Polizei-Alltag. Gerade in Bremen, wo viele junge Menschen mit Migrationshintergrund leben, freut Orcjan sich darüber mit gutem Beispiel voranzugehen. Er selbst hat armenische Wurzeln, hatte zur Zeit der Bewerbung noch keinen deutschen Pass und zeigt damit, dass nicht nur Deutsche den Weg in den Polizeidienst finden können. Übrigens: 2023 war Orcjan auf 10 Berufsmessen und etwa 26 Schulbesuchen, Tendenz steigend.
Als verhältnismäßig kleine Polizeibehörde habe man auf jeden Fall einen Vorteil – „denn das gibt uns die Chance, so nah an unseren Bewerbenden zu sein.“ Das Einstellungsteam kenne einfach alle Kandidat:innen. Das Wir-Gefühl und der Zusammenhalt im bremischen öffentlichen Dienst seien ohnehin sehr wichtig – im Polizeiberuf umso mehr, denn nur Hand in Hand und mit großem Teamgeist könne man die täglichen Fälle erfolgreich lösen. „Nahbar, immer erreichbar und offen zu sein, ist für uns einfach wichtig – und im kleinsten Bundesland ist das für uns besonders gut umsetzbar“, sagt Arsen Orcjan. Nähe und persönlicher Kontakt seien auch das Besondere am Studium in Bremen: Denn der Unterricht findet in kleinen Klassenverbänden statt und ist dadurch interaktiver.
Annika Kryger ist stolz auf ihr Team, das immer fokussiert, kreativ und lösungsorientiert arbeitet. Ganz gleich, ob eine Haushaltssperre oder andere äußere Umstände die Arbeit beeinflussen. Mit Erfolg, denn die Bewerbungszahlen entwickeln sich positiv. Das wäre nicht möglich, so Kryger, wenn es nicht die volle Rückendeckung und auch einen Vertrauensvorschuss von oberster Behördenspitze gebe. Denn dieser Rückenwind motiviere das Team ganz besonders.
Fotos: Danielle Kleisch, SKB Bremen